Das geteilte Leid

 

In dieser Erzählung geht es um die Weisheit, dass geteiltes Leid nur halbes Leid ist - ein Ausspruch, den sicher der ein oder andere unter uns kennt. Das Fazit für den alten Bäcker in "Das geteilte Leid" ist, dass sich ihm nicht wirklich erschließt, ob und wie das Leid geteilt wird, aber er ist freundlich und nimmt sich der Sorgen und Probleme seiner Mitmenschen an und macht eine interessante Erfahrung.

"Das geteilte Leid" entstand ursprünglich als Märchen für Erwachsene, wurde aber im Rahmen des Wettbewerbs für ‚Märchenbasar Vol. 2' in einem langwierigen Prozess als Kindermärchen überarbeitet. Dabei waren mir insbesondere die vielen Autorinnen und Autoren des dortigen Forums behilflich, da dies auf der einen Seite der erste Versuch eines Märchens überhaupt war und mir zahlreiche Informationen fehlten, die gerade im Bereich der Erzählungen für Kinder zu beachten sind. Die Umstrukturierung war ein Lernprozess, der mich um einige Erfahrungen reicher gemacht hat!

Bedingt durch die Veröffentlichung kann ich hier nur einen Auszug anbieten, aber ihr dürft das Buch mit vielen anderen, hervorragenden Märchen für Kinder gerne über den Märchenbasar erwerben.


 

 

 

(Auszug)

Es war einmal vor langer, langer Zeit, da lebte in einer Stadt ein alter Bäckersmann. Tagaus, tagein buk er Brot, Brezeln und anderes Backwerk für seine Kunden. Die Mühsal des Tagwerks machte ihm inzwischen schon zu schaffen, denn in jungen Jahren war er umhergezogen, hatte als Söldner viel Leid gesehen und Entbehrungen am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Da er selten zu Hause bei seinem Weibe weilte, waren ihm keine Nachkommen vergönnt. Seine Frau war schon vor Jahren dem Wahnsinn verfallen und die Heiler hatten wenig Hoffnung. Auch, wenn ihn in diesen Tagen das Zipperlein plagte und seine Arbeit erschwerte, er über seinen Verlust und die schlimmen Erfahrungen seines Lebens, oder auch der Not, das Geld für den Zins und sein eigenes Leben zusammen zu bekommen nachdachte, sprach er nur selten darüber.

Immer wenn einer seiner Kunden zu ihm in die Backstube kam und fragte, wie es ihm denn heute gehe, sprach er ein wenig über seine Probleme. Wenn er überhaupt darüber redete, war dies kein Jammern oder Wehklagen. "Ja, ja", antworteten sie ihm dann, "das Leben ist ein Jammertal, aber wenn du darüber sprichst, ist es gut, denn geteiltes Leid ist halbes Leid." So redeten sie weiter, schütteten ihr Herz aus und der Bäcker fand immer ein tröstendes Wort, auch wenn ihm viele der Probleme wie Nichtigkeiten vorkamen. Aber, so dachte er bei sich, wenn sie denn darüber sprechen, werden sie es schon als eine Last empfinden, welche sie bedrückt. Und da bekanntlich geteiltes Leid ja nur halbes Leid ist, hörte er ihnen stets aufmerksam zu. Nur eine seiner Kundinnen, eine hübsche aber schweigsame, junge Frau, lächelte ihn freundlich an. Sie hörte dem Jammern und Wehklagen der anderen Kunden zu, sprach aber nur, wenn sie selbst etwas erstand.

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