Der Auftrag

Hack- & Slayvolution - 1

 

Fantasy-Rollenspiel … Es gibt Erklärungsbedarf, wenn es darum geht, den Unbedarften und Ungläubigen diesen wundervollen Zeitvertreib näher zu bringen. Aus diesem Grund - und nur aus diesem! - entstand die Idee, die Moderne in die Welt des Rollenspiels Einzug halten zu lassen und die Spielerinnen und Spieler sowie auch deren Charaktere mit den Skurrilitäten einer sich entwickelnden Welt zu konfrontieren. Etwaige Überlappung zu Entwicklungen in der realen Welt sind selbstverständlich … gewollt.


- Teil 1: Der Auftrag
- Teil 2: Schleifchen des Vertrauens
- Teil 3: Viel Rauch um Nichts

 

 

 

Der Tragödie erster Teil: Der Auftrag

„Ein was!?“ Rumero verzog betont verständnislos das Gesicht und machte eine Geste, wie ein Priester, der um Erleuchtung bittet. So, beide klobigen Hände nach oben gedreht, und die wurstigen und behaarten Finger gespreizt, stand er da und hatte keinen Schimmer, wer dieser Amuri Ponte sein soll, den ihr Auftraggeber, ein Magus von äußerst zweifelhaftem Ruf aber mit beachtlichem Portemonnaie, unbedingt in der Gruppe haben wollte. Ganz zu schweigen von dem Punkt, welche besonderen Fähigkeiten diese Kreatur mit dem seltsamen Namen denn haben sollte.

„Er ist“, der Magus hüstelte leicht, wie er es immer tat, wenn er keineswegs geneigt war, über irgendetwas zu diskutieren, „ein wahrer Meister im Lösen von Problemen. Dies, und die Tatsache, dass ich ihn dabei haben möchte, sollte reichen, Rumero. Verstehen wir uns?“ Ein lauernder Unterton hatte sich in die kratzige Stimme gemischt und der Magus blickte auf, und damit dem mindestens drei Kopf größeren Minotaurus in die Augen.

Kalantir, der Dunkelelf, nahm einen Schluck des schweren roten Weins und rülpste vernehmlich, lehnte sich auf der bequemen Couch zurück. „Lass gut sein, Rum“, fügte er jovial hinzu. „Solange der Typ mit dem schwulen Namen Probleme löst, ist alles in bester Ordnung. Wenn er sie nicht mehr löst, ist er tot. Dann lösen wir die Probleme eben auf die übliche Art.“

Allgemeines Gelächter, und ein weiterer Rülpser des Dunkelelfen, veranlassten den Magus tief einzuatmen und kurz den Blick zum Fenster hinaus zu richten. Regen prasselte an die teuren Butzenscheiben. Dies würde Spuren hinterlassen. Spuren, die durch kostspielige Fensterputzer entfernt werden müssten. Der Magus seufzte herzhaft.

„Ich hab dich nicht nach deiner Meinung gefragt“, grunzte Rumero und stampfte entschlossen mit einem Huf auf.

„Hast du das überhaupt irgendwann einmal?“ Kalantir spielte die beleidigte Mimose und unterstrich damit die Ironie, die dem Minotaurus verborgen blieb. Er setzte erneut den goldenen Pokal an und nahm einen tiefen Schluck.

„Was genau macht dieser … Am… Ponti …?“, verlangte Rumero zu wissen und starrte den Magus frei heraus an. „Ich hab keine Ahnung, wer das ist und wie er uns helfen soll. Wir sind komplett und ich hab überhaupt keine Veranlassung, noch wen mitzuschleppen, den wir erst noch einarbeiten müssen. Jemand den wir nicht kennen. Wir arbeiten seit Jahren für dich und haben jeden Auftrag erledigt. Oder gibt’s da was zu beanstanden?“ Der Minotaurus, wechselte das Standbein und nutze die Gelegenheit, erneut heftig aufzustampfen und dabei eine Miene aufzusetzen, die wenig glücklich und trotzig wirkte.

Der Magus blieb völlig unbeeindruckt, ob dieses Gehabes. „Rumero …“, seufzte er, „ich hab das nicht erfunden, aber der Bund der Reiche hat neue Gesetze erlassen. Richtlinien, wenn du verstehst, was ich meine. Daran hab ich mich zu halten, sonst bekomme ich Ärger. Hast du eigentlich eine Ahnung, was es in diesen Tagen bedeutet, einen Gruppe loszuschicken?“

Der Minotaurus blickte dümmlich drein, Kalantir prostete ihm zu und schüttete den Rest des edlen Tropfens in sich hinein, Moiphir, der Krötenschamane, hüpfte zum kleinen Büfett hinüber und genehmigte sich einen Schenkel von einer Riesenfliege in Schneckenschleimsoße und nur Lampri, die hoch aufgeschossene Fee, deren Gesicht – und auch den Rest des Körpers – viele Narben zierten, die nicht ausschließlich von Kämpfen herrührten, lehnte gleich neben der Türe und zog sich ein Pfeifchen von dem grünen Kraut rein, dass sie so betont lässig werden ließ.

„Also?“, verlangte der Minotaurus zu wissen und beugte sich ein wenig vor. Jeder hätte die Geste als bedrohlich empfunden, aber der Magus rieb sich mit den Fingern der linke Hand die Schläfe und grunzte leise.

„Wenn ich öfter als drei Mal im Jahr die gleiche Gruppe anheure“, begann der Magus betont genervt, „dann muss ich euch fest anstellen. Das bedeutet Abgaben für die Krankenversicherung, Altersversorgung und den Abschluss einer Versicherung für den Todesfall, ganz zu schweigen davon, dass ich für die Überführung der Leichen und eine angemessene Bestattung zahlen darf. Obendrein muss der Begleiter der Gruppe ein mindestens in einem Land des Bundes als ordentlicher Heiler eine Zulassung haben und die Gruppe, wegen der psychischen Belastungen, von einem ‚Problemlöser’ begleitet werden, der obendrein noch in der Lage ist, dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht zu Kämpfen und Verletzten kommt.“

Kalantir brach in schallendes Gelächter aus und schenkte sich nach. Moiphir warf dem Magus einen seltsamen Blick zu und stand mit einem Sprung neben dem riesigen Minotaurus, angelte sich mit seiner Zunge eine Fliege und schmatze genüsslich. Lampri erging sich in Bildern, die nur sie sehen konnte und Rumero hatte keinen blassen Dunst, wovon der Magus gerade sprach. Dies quittierte er, standesgemäß, mit einem „Häh?“

„Rumero!“ Der Magus war kurz davor, die Fassung zu verlieren und hinter seinem riesigen Schreibtisch aus emelianischer Eiche, die dieser Tage unter Naturschutz stand, was das Möbel zu einem sehr exquisiten Exemplar machte, aufgestanden. Er stütze sich mit beiden Händen ab. „Ich hab das nicht erfunden, aber die Büttel sitzen mir in der Sache im Nacken. Ich werde mit Sicherheit auswandern und eine meiner Niederlassungen im Ausland weiter ausbauen, aber ich brauch dieses bestimmte Buch, über das wir kürzlich gesprochen haben. Wenn du den Auftrag nicht willst, dann such ich mir eben jemand anderen!“ Er atmete betont heftig aus, setzte sich wieder hin, legte die Handflächen zusammen und spreizte die Finger ab, ganz so als könnte jeder einzelne von ihnen den anderen nicht leiden, und starrte den Minotaurus an.

Rumero starrte zurück und man konnte förmlich sehen, wie sich die Informationen auf die verschiedenen Positionen seiner Hirnzellen verteilten, dort ausharrten, bis sie an der Reihe waren und sich dann zur weiteren Verarbeitung dorthin begaben, wo sie auf möglichst sinnvolle Art und Weise für einen leicht beschränkten Minotaurus übersetzt und dann erneut zu einem Gebilde zusammengefügt wurden. Nach einer guten Minute der Auswertung stellte das Hirn dann diverse Antworten zur Verfügung: Zwischen ‚Leck mich doch unterm Schwanzansatz!’ über ‚Achso.’ bis hin zu dem Reiz eines schlichten Schulterzuckens war so ziemlich alles dabei und man konnte Rumero die Anstrengung der Auswahl deutlich ansehen.

„Was?“, sprach der Minotaurus dann völlig abseits der Vorschläge aus. Kalantir prustete vor Lachen und Tränen liefen ihm über die Wangen. Moiphir angelte sich eine weitere Fliege direkt von Rumeros Stirn, was der Kröte einen Schlag in den Rücken einbrachte und ihn auf dem Schreibtisch des Magus schleuderte.

„Eh!“, quakte der Schamane und setzte eine betont böse Mine auf, die nur ein anderer Frosch als solche hätte deuten können.

„Ich hab dir gesagt, du sollst das lassen“, grunzte Rumero wütend. „Noch ein Mal, und ich reiß dir die Zunge raus und fessle dich damit, du schleimiges Ungeheuer!“

„Ja“, quäkte Moiphir, während er sich wieder vom Tisch auf den Boden begab. „Ich hab dich auch ganz doll lieb, Rum.“

Der Magus schüttelte den Kopf, blieb aber betont ruhig. So seltsam die Truppe auch anmutete, wusste er sehr genau, dass Rumero und seine Spießgesellen bislang jeden Auftrag zu seiner Zufriedenheit ausgeführt hatten. Und dabei war in den letzten zehn Jahren nicht mal einer von ihnen umgekommen. Eine reife Leistung, die nicht jeder vorweisen konnte.

„Rumero, hör mal“, versuchte der Magier es erneut, „es ist so schon alles schwierig genug. Moiphir ist als Schamane nur noch während der Übergangsvereinbarung als Heiler zugelassen, Kalantir hab ich als Elf angemeldet, weil er weder eine Aufenthalts- geschweige denn eine Arbeitserlaubnis hat und formal gesehen fehlt dir jede Ausbildung, um eine Leitungsfunktion wahrzunehmen. Mit deiner sozialen Kompetenz wollen wir jetzt mal lieber gar nicht erst anfangen. Und was Lampri betrifft … Drogenabhängig. Außerdem verkauft sie das Zeug auch noch! Die Nummer ist gelaufen, Rumero. Diesen einen Auftrag noch und das war’s. Also schleppt den verdammten Problemlöser mit und macht, was ihr wollt. Niemand verlangt, dass der auch wieder mit zurück kommt; Unfälle gibt es bei solchen Aufträgen nun mal.“

„Ja …“ Der Minotaurus kratzte sich am Hinterteil, was in Anbetracht der Tatsache, dass er gerade nachdachte, gewisse Rückschlüsse auf den Sitz des Hirns zuließ, da sich andere Kreaturen in diesem Zusammenhang meist am Hinterkopf zu kratzen pflegten.

„Was?“ Lampri blickte halbwach in die Gegend. „Wer will Traumkraut kaufen?“

Kalantir grinste unverschämt, sprang von der Couch auf und schlenderte zum Magus hinüber.

„Natürlich ist es völlig legal“, verlangte der Dunkelelf mit sarkastischem Unterton zu wissen, „dass du das Buch einsackst?“

„In drei Monaten nicht mehr …“, erwiderte der Magier unwirsch. „Und auch nur, wenn wir uns schon an die bereits geltenden Regeln halten.“

„Ach so.“ Kalantir lehnte sich neben dem Magus auf den Schreibtisch und blähte die Wangen ein wenig, schüttelte den Kopf. „Natürlich ist es dabei völlig in Ordnung, wenn wir den Problemlöser entsorgen.“

„Das hab ich nicht gesagt!“ Der Magus wirkte aufgebracht. „Ich sagte lediglich, dass er ja nicht mit zurückkommen würde, wenn er einen Unfall hätte. Geh mir nicht auf die Nerven Kalantir! Ihr nehmt den verfluchten Problemlöser mit und damit ist diese Unterhaltung beendet. Nehmt den Auftrag an oder lasst es bleiben.“

„Ach leck mich doch unterm Schwanzansatz“, maulte Rumero und hieb auf den Eichentisch, dass es krachte und etliche Utensilien kurz von ihrem Untergrund abhoben. „Wir nehmen den Amor Pintus mit und ich bin sein Unfall.“

Alle Blicke, bis auf der von Lampri, richteten sich mit deutlicher Überraschung auf den Minotaurus.

„Rumero!“ Kalantir grinste breit. „Das Leben kann so einfach sein, wenn du deine Denkattacken hast.“

„Halts Maul, du blaue Pest“, grummelte der Minotaurus.

„Rassist!“, konterte der Dunkelelf und versuchte möglichst beleidigt dreinzuschauen und sich ein Grinsen zu verkneifen.

Die Kröte nickte, wiegte den Kopf hin und her, sah dann den Magus an, der die Augen leicht nach oben verdrehte. „Die haben sich auch ganz doll lieb“, setzte Moiphir erklärend und gespielt heimlich hinzu.

„Mir ist schlecht“, warf Lampri ein, erbleichte noch weiter, und rannte auf den Flur, von wo ein eindeutiges, würgendes Geräusch zu der Versammlung drang.

„Fünf Gold auf die Vase!“, rief Kalantir und wirkte sichtlich entzückt ob der Möglichkeit, eine Wette abzuschließen.

„Bah!“ Moiphir winkte ab. „Ich halt dagegen. Sie hat die Rüstung genommen.“

Das Gesicht des Magus verfinsterte sich und er sprang aus seinem sündhaft teuren Stuhl aus ukalischem Tamriholz – inzwischen ebenfalls geschützt! – auf, und hieb mit beiden Händen auf den Tisch.

„Es reicht!“, brüllte der Magier. „Geht jetzt in die Herberge. Morgen stößt der Problemlöser zu euch. Dann beschafft ihr mir das Buch oder ihr sollt mich kennen lernen!“

„Okay“, Rumero hob beschwichtigend die Hände, drehte sich auf den Hufen herum und murmelte etwas in der gutturalen Sprache der Minotauren.

„Das hab ich gehört!“, meckerte der Magus. Entnervt setzte er sich wieder hin und verdrehte die Augen.

Rumero deutete beim Gehen mit der Rechten noch mal deutlich in Richtung einer gewissen Stelle unter seinem Schwanzansatz und schob Moiphir mit der Linken vor sich her. Auf dem Flur meckerte Kalantir mit der noch immer am Boden knienden Lampri, welche schlicht den nahen Teppich an Stelle irgendwelcher anderer Utensilien für die Rückkehr des Mittagessens benutzt hatte.

„Oh Mann …“, flüsterte der neben der Elfe kniende Dunkelelf, weil er Rumero sah, wie der Moiphir auf den Flur schob. „Ich dachte, wir hatten ne Abmachung, um die Kröte auszunehmen.“

„Fick dich!“, konterte die bleiche Lampri und knuffte Kalantir leicht.

„Sieht eher danach aus“, konstatierte der vorbeistapfende Minotaurus, der die beiden keines besonderen Blickes würdigte, „als ob er dich heute Abend ficken wird.“

„Er ist nicht halb so blöd, wie er aussieht“, stellte Kalantir sachlich fest und half der Fee auf die Beine, die ihm kurz die Zunge rausstreckte und das Gesicht zu einem Grinsen verzog. „Lass uns verschwinden, bevor der Boss das sieht.“


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© 12. August 2007