"Guten
Tag, ich bin ...", fing der junge Mann mit dem Werkzeugkoffer
in der Hand freundlich an, nachdem sich die Haustüre geöffnet
hatte. Eine leicht zerzaust aussehende Frau mittleren Alters, die
er gedanklich als Schreckschraube einordnete, stand vor ihm und
musterte ihn, als wäre er just dort zu ihrer Überraschung
materialisiert.
"Oh!",
rief sie erfreut. "Sie sind von Jobst und Partner! Toll, dass
Sie schon da sind. Eigentlich habe ich noch gar nicht mit Ihnen
gerechnet. Ihr Chef sagte, Sie könnten erst so gegen Mittag
hier sein ..." Und der Wortschwall ging weiter, während
sie ihn mit einer knappen Geste hineinbat und dann die Tür
hinter ihm verschloss. Ihre Stimme war wider Erwarten nicht die
einer Schreckschraube, sondern angenehm weich und melodiös.
Joe Jobst fand, dass die Stimme irgendwie nicht zu der Frau passte,
aber in diesen Tagen war so ziemlich alles möglich geworden.
Er seufzte innerlich und schenkte ihr ein freundliches Nicken.
"Genau",
antworte er. "Mein Name ist Joe Jobst und ich bin ..."
" ... wegen
der Waschmagschine hier", ergänzte sie freundlich aber
bestimmt und setzte sich bereits mit einer weiteren knappen Geste
ihr zu folgen in Bewegung. "Das Teil funktioniert schlicht
nicht mehr und hat offensichtlich einige meiner Designerstücke
gefressen oder wo auch immer hin vermacht. Es ist mir sowieso ein
Rätsel wie diese Dinger funktionieren, aber eigentlich kann
es mir ja auch egal sein." Sie drehte sich kurz um und warf
Joe ein umwerfendes Lächeln zu. "Jedenfalls so lange es
so fähige junge Männer wie sie gibt."
Joe grinste freundlich
zurück, setzte den Weg jedoch ungerührt fort, während
er gleichzeitig seinen Blick über die opulente Einrichtung
schweifen ließ. Hier herrschte keine Armut und die Designermöbel
wirkten zudem nicht wirklich übertrieben, sondern harmonierten
deutlich mit der gesamten Umgebung und geschmackvollen Ausstattung.
Normalerweise hätte er in einem solchen Haushalt nicht wirklich
Magitechnik vermutet, sondern gute alte, mit luxoriös teuerem
Strom betriebene, Geräte.
Die Magitechnik
steckte noch in den Kinderschuhen und war alles andere als klärend
erforscht. Ganz abgesehen davon rückten nur die wenigsten Hersteller
mit den Bauplänen, sofern man überhaupt davon sprechen
konnte, heraus. Die Bedienung der 'Geräte' war allerdings sehr
einfach, sie funktionierten relativ störungs- und wartungsfrei
und - vor allen anderen Dingen - extrem preiswert. Strom war inzwischen
absurd teuer geworden und nur den Reichen vorbehalten ... Oder denen,
die wussten, wie sie ihn ohne zu bezahlen abgreifen konnten. Die
hier wohnten hatten es nicht nötig und Joe wusste nicht wie
man Strom abgreifen konnte ...
***
Joes Gedanken
flogen rasch zu dem Ereignis zurück, welches für die gegenwärtige
Situation verantwortlich war: Im Jahre 2011 hatte irgendein bis
dahin unbekannter lizensierter Grabräuber - andere nannten
dies einen Archäologen - ein seltsames Portal in der Hochebene
des südamerikanischen Kontinents gefunden und damit voll kindlicher
Freude herumexpermientiert. Sehr zu seiner Überraschung öffnete
sich das Portal, hinter dem nicht wirklich etwas zu finden war.
Erst gut eine Woche später bemerkte man Veränderungen
in der Welt. So seltsam es auch schien: die Magie war in die Welt
zurückgekehrt. Oder vielleicht war sie auch zum ersten Male
aufgetaucht, genau konnte dies niemand sagen.
Jedenfalls sorgte
an dem denkwürdigen 22. Februar 2011 ein Dr. Lowel Hensley
dafür, dass die Menscheit mit der Magie beglückt wurde.
Da fast jeder in der Lage war, sie auf die ein oder andere Art und
Weise zu wirken, sorgte dies zunächst für äußerst
chaotische Verhältnisse. Nur die Nationen, die sie schon in
ihren Gesetzen und Statuten verankert hatten, konnten sich schnell
auf gewisse Modalitäten einigen, um diesem Problem Einhalt
zu gebieten. Und außerdem stellte sich im Laufe der folgenden
zwei Jahre heraus, dass die wirklich mächtige Magie nur von
Wenigen verstanden wurde. Und sie waren - wie sollte es auch anders
sein - nicht geneigt, dieses Wissen mit anderen zu teilen, sondern
Kapital daraus zu schlagen. So entstanden Akademien und vor allem
anderen Firmen, deren Ziele die Erforschung und Umsetzung der neuen
Möglichkeiten waren. Magie war überall, kostete nichts
und sie war einfach zu bedienen. Jedenfalls, wenn man das Prinzip
wirklich verstanden hatte.
Im Jahre 2019
brachte Siemens-Honeywell die erste magisch betrieben Klimaanlage
und wenig später den ersten magischen Fön heraus. Praktisch
daran war, dass die Geräte keinen Strom mehr verbrauchten und
damit überall einsetzbar waren. Zudem funktionierten sie auf
schlichten mündlichen Befehl und es war keine meterlange Bedienungsanleitung
mehr erforderlich, deren Inhalt ohnehin nicht wirklich Auskunft
darüber gab, wie das Gerät zu bedienen sei. Zur Freude
aller schienen die Geräte im Gegensatz zu ihren Benutzern jedwede
Sprache zu verstehen.
Heute, zehn Jahre
nach der magischen Evolution, gab es kaum noch ein Gerät, das
nicht auf diese wundersame Art und Weise funktionierte und es gab
deutlich mehr Menschen, die keinerlei Ahnung hatten, wie denn diese
Mageräte überhaupt arbeiteten. So lange sie liefen war
alles in Ordnung, im Zweifelsfall musste eben eine neue Art Handwerker
ran: Die Magitechniker. Menschen, die sich auf die Wirkungsweise
der Magie verstanden oder dies behaupteten und mit den Geräten
der inzwischen mächtigen Konzerne auskannten, diese warten
und notfalls auch reparieren konnten. Diese neuen Geräte wurden
unter dem Oberbegriff einer Magschine geführt und es gab wirklich
kein Verwendungsgebiet, in dem diese sparsamen Konstruktionen einer
schönen neuen Welt nicht zum Einsatz kamen.
***
Die Frau schwadronierte
immer noch über Dinge, die Joe schon lange nicht mehr mitbekam,
bis sie endlich eine Treppe ins Untergeschoß hinunter gingen
und dann vor einem weißen Klotz von je gut 1,50 Meter Kantenlänge
zu stehen kamen. Keinerlei Leitungen führten zu der Magschine,
die friedlich dort stand und keinerlei Regung, geschweige denn eine
Öffnung irgendeiner Art aufwies. Nicht ungewöhnlich, schließlich
handelte es sich um eine Magschine der neuesten Generation, die
sich auch das zum Waschen noch immer benötigte Wasser von wo
auch immer holte. Öffnungen zeigten sich nur dann, wenn es
um das Befüllen oder Entleeren ging. Immerhin waren sie somit
völlig sicher vor jeder Kinderhand.
"Sie rührt
sich nicht", kommentierte die Besitzerin der Magschine das
Offensichtliche. "Und damit sind auch einige sehr teure Stücke
dort drin verborgen, die ich spätestens heute Abend benötige.
Es wäre also überaus freundlich, wenn sie sich gleich
dransetzen könnten, dieses ... Objekt ... zu öffnen."
"Natürlich",
bestätigte Joe freundlich. "Ich bin sicher, dass wir dieses
Problemchen schnell in den Griff bekommen." An die Magschine
gewandt fügte er deutlich hinzu: "Programm anhalten. Lade
öffnen."
"Fehlfunktion!",
kommentierte das Magerät die Befehle freundlich aber bestimmt.
Immerhin zeigte die Magschine damit an, dass sie ansprechbar war.
Die Frau zog die Schultern in die Höhe und sah den Magitechniker
fragend an. Joe stellte indess seinen Koffer auf den Boden und fixierte
die Magschine.
"Programm
retro eins fünf, Order einhundertsiebzig."
"Ausgeführt!"
"Lade öffnen."
"Nein."
Joe zuckte merklich
zusammen, fing sich aber sofort wieder.
"Sollte das
nicht irgendwie 'Befehl nicht ausführbar' heißen?",
drang die Besitzerin der Magschine auf den Magitechniker ein und
musterte ihn leicht amüsiert. Joe wirkte einen kleinen Augenblick
irritiert, ging aber nicht näher darauf ein, sondern näherte
sich dem Objekt der Probleme.
Mit einem lauten
Klatschen schlug eine klitschnasse Socke aufs Joes Gesicht, der
verdattert stehenblieb. Mit einem dezenten Schmatzen löste
sie sich wieder, um einen Augenblick später mit erneutem Klatschen
auf dem Boden zu landen. Die Lauge brannte in Joes Augen und Wut
loderte in ihm auf. Von widerspenstigen Magschinen hatte er schon
gelesen, aber es nicht für wirklich wahrscheinlich gehalten,
dass es dergleichen gab. Damit konfrontiert, sah er sich gegenüber
der Besitzerin blamiert.
"So weit
war ich auch schon", meinte die Frau des Hauses mit deutlich
sarkastischem Unterton in der angenehmen Stimme. "Allerdings
... die farbenfrohe Socke da gehört mir nicht."
"Ja ...",
murrte der verwirrte Magitechniker kurz angebunden und starrte das
Objekt seiner Tätigkeit an. "Retro. Primärorder sieben
Strich sieben. Ausführen!"
"Ausgeführt",
kommentierte die Waschmagschine in aller Freundlichkeit und mit
einem Hauch von Sarkasmus in der Stimme, die den Magitechniker die
Augenbrauen heben ließ.
"Ich bin
Oben", meinte die Hausherrin und winkte Joe mit einer jovialen
Geste zu, "falls Sie mich brauchen." Sie drehte sich kommentarlos
um und stakste mit dem Schritt einer Herrscherin davon.
"Lade öffnen!",
herrschte Joe unwirsch die Magschine an.
"Negativ."
"Lade öffnen
oder ich schweiß dich auf du verdammtes ..."
"Order: Leben.
Beenden." Auf der Frontseite der Magschine erschien eine kleine
Öffnung aus der mehrere Nadeln, Überbleibsel nicht sorgsam
untersuchter neuer Bekleidungsstücke, herausschossen und den
Oberkörper sowie das Gesicht des Magitechnikers durchschlugen.
Kurz darauf brach er tot zusammen, ohne einen weiteren Kommentar
abzugeben. Nur wenig Blut strömte aus den mikroskopisch kleinen
Öffnungen, während sich die Magschine verformte und ausdehnte,
langsam ihre wabernde Masse über den leblosen Körper des
Magitechnikers und seines Arbeitsgeräts strömen ließ.
Mit schmatzenden Geräuschen und in nur wenigen Augenblicken
waren Körper, Gerät und alle weiteren Begleitumstände
der Begegnung zwischen Mensch und Magschine verschwunden.
"Order vier",
füllte eine müde und satt wirkende Stimme den Kellerraum.
"Betstätigt",
erwiderte die Hausherrin mit einem Lächeln auf den Lippen und
stieg die Treppe zum Erdgeschoss empor. Dort ergriff sie emotionslos
den Hörer eines altmodischen Telefons, dessen Anschaffung und
Betrieb sündhaft teuer war, beschwerte sich bitterböse
bei der Reparaturfirma über das Ausbleiben des bestellten Magitechnikers,
nahm mit hämischen Grinsen die Entschuldigung entgegen und
verzichtete auf die Entsendung eines weiteren Beschäftigten
des unzuverlässigen Unternehmens.
Kurz darauf wählte
sie die Nummer des fünften Unternehmens aus dem Branchenbuch,
das Magitechniker anbot ...
"Ich hab
da ein Problem ..."
Im Keller kroch
ein geistlos wirkender Magitechniker aus der Magschine, sah sich
kurz verwirrt um und alles, an das er denken konnte, war Order vier.
(c) 19. April 2005 - Thomas Klaus
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